Schlechte Angewohnheiten – wir haben sie alle: Der eine isst zu viel Süßigkeiten und bewegt sich zu wenig, der andere raucht zu viel oder trinkt gerne ein Gläschen über den Durst. Wer etwas daran verändern will, scheitert häufig. Doch Gewohnheiten sind kein Schicksal. Sie können ignoriert, modifiziert oder ersetzt werden. Dazu muss man aber wissen, wie sie entstehen
Den gesamten Artikel können Sie in der Psychologie Heute 09/2012 lesen, mehr dazu PH 09/2013 S: 11
Ein Forscher der Duke University fand 2006 heraus, dass über 40 Prozent unserer täglichen Handlungen nicht auf bewussten Entscheidungen beruhen, sondern Gewohnheiten sind. Einige sind simpel: Wir drücken automatisch Zahnpasta auf die Zahnbürste, bevor wir diese in den Mund stecken. Andere sind etwas komplexer, etwa das Rücksetzen eines Autos aus einer Einfahrt. Gewohnheiten, so sagen Wissenschaftler, entstehen, weil das Gehirn ständig nach Wegen sucht, um sich weniger anzustrengen. Sich selbst überlassen, versucht das Gehirn praktisch jede regelmäßige Handlung in eine Gewohnheit zu verwandeln, um möglichst häufig herunterzufahren. Ein effizientes Gehirn erlaubt uns, nicht mehr unentwegt über grundlegende Verhaltensweisen nachdenken zu müssen, wie etwa das Gehen oder die Essensauswahl, sodass wir mentale Energie für die Erfindung von Speeren, Bewässerungssystemen und schließlich Flugzeugen und Videospielen aufwenden können.
Aber das Einsparen mentaler Anstrengung ist ein heikles Unterfangen, denn wenn unser Gehirn im falschen Moment herunterfährt, übersehen wir vielleicht etwas Wichtiges, wie einen Fressfeind, der sich im Gebüsch versteckt, oder ein heranbrausendes Auto, wenn wir rückwärts auf die Straße fahren. Also hat unser Gehirn ein raffiniertes System entwickelt, das darüber entscheidet, wann Gewohnheiten das Kommando übernehmen. Dies geschieht immer dann, wenn ein Verhaltenselement beginnt oder endet. Zu Beginn eines Verhaltenselements strengt sich das Gehirn stark an und sucht nach etwas – einem Auslösereiz –, das ihm einen Anhaltspunkt dafür liefert, welche Gewohnheit aktiviert werden sollte. Wenn am Ende der Aktivität eine Belohnung auftaucht, rüttelt sich das Gehirn selbst wach und stellt sicher, dass alles erwartungsgemäß abläuft.
Dieser Prozess innerhalb unseres Gehirns ist eine dreistufige Schleife. Zunächst gibt es einen Auslösereiz, der das Gehirn auffordert, in einen automatischen Modus umzuschalten, und ihm sagt, welche Gewohnheit es aktivieren sollte. Nun greift die Routine, die körperlicher, mentaler oder emotionaler Natur sein kann. Am Schluss folgt eine Belohnung, die unserem Gehirn hilft, zu entscheiden, ob es sich lohnt, sich diese konkrete Schleife für die Zukunft zu merken. Im Lauf der Zeit wird diese Schleife – Auslösereiz, Routine, Belohnung – mehr und mehr automatisiert. Der Auslösereiz und die Belohnung werden immer enger miteinander verschränkt, bis ein starkes Gefühl der Antizipation und des Verlangens entsteht. Und am Ende bildet sich eine Gewohnheit aus. Ohne Gewohnheitsschleifen würden unsere Gehirne dichtmachen, überwältigt von den Details des Alltagslebens. Zugleich kann die Abhängigkeit von automatischen Routinen gefährlich sein. Gewohnheiten sind oftmals ebenso sehr Fluch wie Segen. Doch schon allein das Verstehen ihrer Funktionsweise erleichtert ihre Kontrolle. Gewohnheiten sind wirkmächtig, aber störungsanfällig. Sie können ohne Beteiligung unseres Bewusstseins entstehen oder bewusst konzipiert werden. Sie werden oft ohne unser Zutun aktiv, doch sie lassen sich umformen, indem man mit ihren einzelnen Elementen spielt. Wenn wir lernen, die Auslösereize und Belohnungen zu beobachten, können wir Routinen verändern.